Das Reliquiar des heiligen Dionysius

Das Reliquiar des heiligen Dionysius

Die Kirchengemeinde in Krefeld besitzt ein weitgehend unbekanntes, aber deshalb nicht weniger seltenes und qualitativ hochwertiges Reliquiar mit einer zentralen Reliquie des Heiligen Dionysius und noch weiterer Heiliger.

Die Reliquienmonstranz in Form eines kleinen zweiflügligen Hausaltars mit Edelsteinbesatz aus Almandinen und Koralle sowie aufwändigen Emaille- und Filigran-Elementen stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts und wurde vermutlich vom Krefelder Juwelier Peter Oediger (damals in der Nähe des Weber-Denkmals am Südwall in Krefeld) hergestellt. Zumindest findet sich seine Gravur im Sockel des Reliquiars.

Krefeld Juwelier Peter Oediger
Juwelier Peter Oediger in Krefeld gegen Ende des 19. Jahrhundert



Der Koordinator des Kirchenvorstands und der Pfarrer der Gemeinde „Papst Johannes XXIII“ in Krefeld baten uns um eine IST-Aufnahme und Katalogisierung der vorhandenen Schäden und um Vorschläge zur Restaurierung dieses besonderen Goldschmiedeobjekts, das für die Kirche St. Dionysius in Krefeld selbstverständlich von herausragender Bedeutung ist.

Das Jahr 2020 begann also für uns mit einem außergewöhnlich spannenden Besuch in der Sakristei von St. Dionysius und bot uns die einmalige Gelegenheit, dieses wunderschöne Historismus-Reliquiar aus allernächster Nähe begutachten zu können.

Reliquiar St. Dionysius
Genaue Sichtprüfung der vorhandenen Beschädigungen



Zunächst erfolgte eine augenscheinliche Erfassung der offensichtlichsten Schäden am Reliquiar. Besonders auffällig waren die abgebrochenen Zierblätter am oberen Dachfries des Reliquiars und die vielen fehlenden Edelsteine samt Fassungen rund um das Mittelteil der Reliquien-Monstranz. Außerdem fehlten vermutlich eine große Edelsteinfassung in der „Stirn“ des Reliquiars und Quilling-artige Verzierungen links und rechts unten in den beiden Außenseiten der „Altarflügel“ in geschlossenem Zustand.

Vorderansicht des Dionysius-Reliquiar
Vorderansicht Dionysius-Reliquiar
Rückansicht des Dionysius Reliquiar
Rückansicht Dionysius-Reliquiar
Dionysius-Reliquiar in geschlossenem Zustand
Dionysius-Reliquiar in geschlossenem Zustand



Wir hatten uns auf diesen Besuch umfassend vorbereitet: Nicht nur, dass wir einen vergleichbaren Blattfries in unserem heimatlichen Atelier angefertigt und damit dessen Abformung schon vorab einüben konnten, auch die Testschrauben, mit denen wir gefahrlos die vorhandenen Gewinde der fehlenden Edelsteinfassungen ermitteln konnten, waren Teil unseres umfangreichen Arbeitsgepäcks.

Testschrauben für das Dionysius-Reliquiar
Sortiment an „Testschrauben“ zur Bestimmung der Gewindemaße der Edelsteinfassungen



Nach der Sicherung der Arbeitsumgebung durch einen Kippschutz und der Abdeckung des Reliquiars mit einem maßgeschneiderten „Umhang“ 😉 begannen wir mit der Abformung des defekten Dachfrieses mit Hilfe von schnellaushärtendem Silikon, um bei Bedarf später die fehlenden Teile im heimischen Atelier originalgetreu nachbauen zu können.

Abformung des defekten Dachfrieses
Abformung des defekten Dachfrieses



Nach der Fotodokumentation und dem Ausmessen der fehlenden Edelsteinfassungen und der defekten Zierobjekte wurden noch die Gewinde der nicht mehr vorhandenen Steinfassungen mit Hilfe unserer vorbereiteten „Testschrauben“ ermittelt, um sie später im Atelier passgenau nachfertigen zu können:

Uwe Faust beim Prüfen der Gewindemaße des Reliquiars
Prüfen der Maße der noch vorhandenen historischen Gewinde mittels „Testschrauben“



Nach knapp zwei Stunden waren alle Schäden am Reliquiar fotografiert, ausgemessen, schriftlich dokumentiert und wir konnten beseelt von den vielen einmaligen Eindrücken unsere Heimreise antreten.

Sollte es irgendwann im Anschluss an diese IST-Aufnahme zu einer Restaurierung dieses einmaligen Objektes kommen, so wird das ganz sicher einer der herausragendsten Höhepunkte unseres Bemühens rund um historische Goldschmiedeobjekte werden.

Wir drücken uns selber also schon jetzt ganz fest die Daumen… 😉


Wissenswertes über Reliquiare

Reliquiare sind kunstvoll gestaltete Behältnisse, die dazu dienen, Reliquien aufzubewahren und zu präsentieren. Reliquien sind meist sterbliche Überreste von Heiligen oder Gegenstände, die mit ihnen in Verbindung stehen, wie beispielsweise Kleidung, Werkzeuge oder Teile eines Kreuzes. Diese Objekte haben in vielen Religionen, insbesondere im Christentum, eine immense spirituelle Bedeutung, da ihnen oft eine besondere Heiligkeit und eine Verbindung zum Göttlichen zugeschrieben wird. Ein Reliquiar ermöglicht es Gläubigen, diese Reliquien zu verehren und deren spirituelle Kraft zu erfahren.

Die Ursprünge der Reliquiare reichen weit in die Geschichte zurück. Bereits im frühen Christentum wurden Reliquien in einfachen Behältern aufbewahrt, doch mit der Zeit entwickelten sich immer kunstvollere Formen und Designs, die den besonderen Charakter dieser Objekte unterstreichen sollten. Insbesondere im Mittelalter erlebte die Herstellung von Reliquiaren eine Blütezeit. Künstler und Goldschmiede schufen prachtvolle Werke, die nicht nur den spirituellen Zweck erfüllten, sondern auch das handwerkliche Können und die kulturelle Bedeutung der jeweiligen Epoche widerspiegelten.

Reliquiare gibt es in den unterschiedlichsten Formen und Materialien. Sie können klein und handlich sein, sodass sie von Gläubigen bei Prozessionen mitgetragen werden können, oder groß und imposant, um einen festen Platz in einer Kirche oder einem Kloster einzunehmen. Häufig verwendete Materialien sind Gold, Silber und Edelsteine, die den wertvollen Inhalt zusätzlich betonen. Besonders prächtige Reliquiare können in Form von Schreinen, Kreuzen, Büsten oder Miniaturkirchen gestaltet sein. Jedes Detail, von der Wahl des Materials bis hin zur Verzierung, dient dazu, die Bedeutung der Reliquie hervorzuheben und eine Atmosphäre der Ehrfurcht zu schaffen.

Ein besonders bekanntes Beispiel für Reliquiare sind die Schreine, die in Kirchen und Kathedralen aufgestellt sind. Diese oft reich verzierten Behälter beherbergen in der Regel größere oder bedeutendere Reliquien und ziehen Pilger aus der ganzen Welt an. Der Schrein der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom ist ein eindrucksvolles Beispiel für ein solches Reliquiar. Er wurde im 13. Jahrhundert geschaffen und gehört zu den bedeutendsten Kunstwerken seiner Art.

Ein Reliquiar ist jedoch nicht nur Ausdruck künstlerischer und religiöser Bestrebungen, sondern auch Zeugnis der Geschichte und Kultur. Es spiegelt den Glauben und die Werte der Gesellschaft wider, in der es entstanden ist. Gleichzeitig wurden Reliquiare im Laufe der Jahrhunderte oft zu politischen und symbolischen Objekten, da Reliquien und Reliquiare Macht und Einfluss repräsentierten. Viele Herrscher sammelten Reliquien, um ihre Autorität zu untermauern und die Nähe zum Göttlichen zu betonen.

Die Verehrung von Reliquien und Reliquiaren ist eng mit der Idee verbunden, dass das Heilige durch physische Gegenstände erfahrbar wird. Gläubige glauben, dass Reliquien als Vermittler zwischen Mensch und Gott dienen und oft Heilung, Schutz oder Segen bringen können. Das Reliquiar spielt dabei eine zentrale Rolle, da es nicht nur der sicheren Aufbewahrung, sondern auch der Präsentation dieser heiligen Objekte dient. Durch seine Gestaltung lädt es die Gläubigen ein, innezuhalten, zu beten und die spirituelle Bedeutung der Reliquien zu reflektieren.

Heute sind Reliquiare nicht nur spirituelle Symbole, sondern auch wertvolle Kulturgüter. Sie sind in Kirchen, Museen und Sammlungen auf der ganzen Welt zu finden und ziehen sowohl Gläubige als auch Kunstliebhaber in ihren Bann. Ihre Schönheit, Handwerkskunst und Geschichte machen sie zu einzigartigen Objekten, die eine tiefe Verbindung zwischen Kunst, Religion und Menschlichkeit schaffen. Ein Reliquiar erinnert uns daran, wie eng das Materielle und das Spirituelle miteinander verbunden sein kann und wie wichtig es ist, diese Verbindung zu bewahren und zu schätzen.

Wissenswertes über den Heiligen Dionysius

Der heilige Dionysius, auch bekannt als Dionysius von Paris oder Saint Denis, zählt zu den bedeutendsten Heiligen der katholischen Kirche und ist der Schutzpatron von Paris. Er war einer der ersten Bischöfe Galliens und lebte vermutlich im 3. Jahrhundert. Sein Leben und Wirken sind eng mit der Verbreitung des Christentums in Frankreich verbunden, obwohl vieles über ihn im Laufe der Jahrhunderte von Legenden überlagert wurde. Dionysius wurde nach Überlieferungen von Rom nach Gallien gesandt, um die Botschaft des Evangeliums zu verbreiten. Er ließ sich mit seinen Gefährten Rusticus und Eleutherius in der Region nieder, die heute Paris ist, und begann, dort das Christentum zu verkünden.

Sein Erfolg bei der Missionierung brachte ihm jedoch nicht nur Anhänger, sondern auch Feinde ein. In einer Zeit, in der Christenverfolgungen durch die römischen Herrscher an der Tagesordnung waren, wurde Dionysius wegen seines Glaubens und seiner Mission verhaftet. Es wird berichtet, dass er zusammen mit seinen Gefährten gefoltert und schließlich enthauptet wurde. Der Ort seiner Hinrichtung wird auf dem Hügel Montmartre vermutet, dessen Name „Berg der Märtyrer“ auf diese Ereignisse zurückzuführen sein könnte.

Eine der bekanntesten Legenden um den heiligen Dionysius erzählt, dass er nach seiner Enthauptung seinen eigenen Kopf aufhob und mehrere Kilometer weit trug, predigend und den Glauben bezeugend. Diese Darstellung des „cephalophoren“ Heiligen, also eines heiligen „Kopftägers“, hat Dionysius zu einer der markantesten Figuren der christlichen Ikonografie gemacht. In Darstellungen wird er oft mit seinem abgetrennten Kopf in den Händen gezeigt, ein Symbol für seine Standhaftigkeit im Glauben und seine Rolle als Märtyrer.

Der Ort, an dem er sein Leben für den Glauben gab, wurde bald zu einer wichtigen Pilgerstätte. Über seinem Grab wurde später die Basilika Saint-Denis errichtet, die als eine der bedeutendsten Kirchen Frankreichs gilt. Sie wurde zur Begräbnisstätte der französischen Könige und spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte und Kultur des Landes. Die Basilika ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein Ort, der die Verehrung des heiligen Dionysius über Jahrhunderte hinweg bewahrt hat.

Dionysius wird nicht nur als Schutzpatron von Paris verehrt, sondern gilt auch als einer der „Vierzehn Nothelfer“, einer Gruppe von Heiligen, die in der katholischen Tradition als Fürsprecher in besonderen Nöten angerufen werden. Sein Festtag wird am 9. Oktober gefeiert und erinnert an sein Opfer und seinen Beitrag zur Ausbreitung des christlichen Glaubens in Europa.

Die Verehrung des heiligen Dionysius ist ein Beispiel dafür, wie eng Glaube, Geschichte und Legenden miteinander verwoben sind. Seine Lebensgeschichte, geprägt von Mut und Hingabe, inspiriert Gläubige bis heute und erinnert an die Herausforderungen und Opfer, die mit der Missionierung in der Frühzeit des Christentums verbunden waren. Der heilige Dionysius ist eine Symbolfigur für die Kraft des Glaubens, die selbst in den dunkelsten Momenten Bestand hat. Seine Verbindung zu Paris und Frankreich unterstreicht die tiefen christlichen Wurzeln der Region und macht ihn zu einem wichtigen Bestandteil des kulturellen und spirituellen Erbes Europas.