Eine vollständig handgearbeitete Erbskette

Eine handgearbeitete Erbskette


Beinahe auf den Tag genau vor drei Jahren durften wir für einen Kunden aus Norwegen einen sogenannten Mjölnir, also einen Anhänger in Form des berühmten Kriegshammers des nordischen Gottes Thor – auch bekannt als “Thorhammer” oder “Thorshammer” anfertigen. Nun – drei Jahre später – sollte dieser Mjölnir noch um eine passende Erbskette ergänzt werden.

Trotz umfangreicher weltweiter Recherchen durch den Kunden und durch uns konnte am Markt weder als Neuware noch als antike Gebrauchtware eine genau passende Kette gefunden werden, die den Proportionen des Mjölnir sowie den Wünschen und Vorstellungen unseres Kunden hinsichtlich Legierung, Länge, Abmessungen und Funktion nur annähernd entsprochen hätte.

Deshalb traf unser Kunde eine radikale Entscheidung: Auch die passende Kette für seinen Mjölnir sollte nun exakt nach seinen Wünschen in unserem Atelier von Hand für ihn angefertigt werden.

Eine massive Kette in dieser Länge und mit 5,7 mm starken Ösen ist selbst in meiner langen beruflichen Laufbahn nichts Alltägliches. In der Regel wählen die Kunden solche Ketten für Ihre Anhänger aus den am Markt normalerweise reichlich vorhandenen und zumeist maschinell hergestellten Halsketten aus. Aber bisweilen findet sich eben auch dort nicht immer das genau Passende. Und schon gar nicht mit dem unvergleichlichen Flair von echter Handarbeit.

Somit war sofort klar, dass die Kette in jedem einzelnen Detail präzise mit dem Kunden abgestimmt werden will. Bevor also die sehr aufwändigen Arbeiten an dieser wirklich mächtigen und besonders klassischen Erbskette starten konnten, wurden mit Hilfe unzähliger Emails, Fotos, Sprachnachrichten und Telefongespräche alle Wünsche des Kunden genau ausgearbeitet und vor der handwerklichen Umsetzung einzeln mit ihm abgestimmt.

Besonders hilfreich erwies sich dabei, dass ich meinem Kunden vorab ein kleines Muster aus Silber angefertigt und nach Norwegen geschickt habe, das er mit eventuell in Frage kommenden Alternativen aus maschineller Produktion für seine Entscheidungsfindung vergleichen konnte.

Aber dann war es soweit: Es konnte endlich losgehen! Vor mir lag – etwas positiv formuliert – wegen der sich ständig wiederholenden Arbeitsgänge – ein langwieriger und zuweilen oft beinahe meditativer Arbeitsprozess.

Zuerst wurde die gewünschte Legierung von mir eingeschmolzen und zu einem Vierkantdraht mit den passenden Außenmaßen ausgewalzt. Dieser Vierkantdraht wiederum wurde durch ein sogenanntes “Zieheisen” gezogen, durch das der vorher immer wieder aufs neue ausgeglühte Golddraht einen halbrunden Querschnitt erhielt, dessen Maße genau den vom Kunden gewünschten einzelnen Kettengliedern entsprach. Durch das ständige Glühen nach jedem – das Metall durch den enormen Druck und die dadurch verursachte extreme Verdichtung aushärtenden – Ziehvorgang wird der Draht immer wieder weich und bereit für das erneute Ziehen durch das Zieheisen.

Schließlich wurde dieser Halbrunddraht um einen sogenannten “Tamponstahl” gewickelt, der es zum Beispiel Goldschmieden oder Uhrmachern erlaubt, auf diese Weise kleine Ösen aus Metall in jeder gewünschten Größe herzustellen. Das so entstandene spiralförmige Rohr wurde mit Hilfe eines extrem feinen Goldschmiedesägeblattes Öse für Öse in einzelne Segmente zersägt:

Anfertigung einer Erbskette



Nach dem Zusammenbiegen behalten diese Ösen allerdings noch immer ein wenig von der Biegung bzw. Verwindung, die sie durch das vorherige spiralförmige Wickeln auf den Tamponstahl bekommen haben. Um diesen kleinen ästhetischen Mangel zu beseitigen, wurde jede einzelne Öse separat zusammengebogen und jede Naht zunächst einzeln verlötet. Anschließend wurde alle verlöteten Ösen auf einen Draht gefädelt und in verdünnter Schwefelsäure gebeizt, d.h. von allen Lötrückständen gereinigt.

Verlöten der Ösen einer Erbskette



Durch das Einschlagen eines sogenannten Kugelpunzens wurde jede Öse schließlich von innen “begradigt”. Dieses Einschlagen des Punzens sorgte übrigens auf der Oberfläche der Holzplatte meines Werktisches dafür, dass ich die aufwändigen Arbeiten an dieser besonderen Erbskette wohl so schnell nicht vergessen werde. 😉

Begradigen einer Erbskette



Jetzt folgte der wahrscheinlich undankbarste Teil der Arbeiten an dieser Erbskette: Die so aufwändig vorher verlöteten und eben noch mühsam korrigierten und gereinigten Ösen mussten jetzt einzeln wieder aufgesägt und aufgebogen werden, um sie nach- und ineinander einhängen und erneut wieder verlöten zu können. Erst jetzt konnten die einzelnen Kettenglieder endlich final montiert und deren Sägenaht wieder verlötet werden.

Endmontage einer Erbskette



All die vorgenannten Arbeiten wurden solange wiederholt, bis die vom Kunden gewünschte Gesamtlänge seiner Kette erreicht wurde. Um den großen Mjölnir-Anhänger mit der neuen Erbskette beweglich zu verbinden, habe ich extra an jedem Ende der Kette einen sogenannten “Wirbel” angefertigt, der ein innenliegendes Drehgelenk hat und somit ein Verkanten des schweren Mjölnirs oder der massiven Kettenglieder während des Tragens verhindert. Diese Funktion war übrigens für unseren Kunden besonders maßgeblich, da die Erbskette ja täglich getragen werden sollte. Am Ende wurde die gesamte Kette nach wiederholtem Beizen in Schwefelsäure sowie nach äußerlicher Versäuberung und Glättung jeder einzelnen Öse am Poliermotor auf Hochglanz poliert und anschließend in einem Ammoniak-Ultraschallbad final gereinigt.

Am Schluß der aufwändigen Arbeit konnte mein Kunde ein extra für ihn angefertigtes Unikat einer Erbskette sein Eigen nennen. Dafür kam er extra von Norwegen per Flugzeug nach Frankfurt und anschließend per Mietwagen in unser Atelier, um seine Kette – übrigens gemeinsam mit einem besonders guten Freund aus Schweden – persönlich abzuholen. Jetzt konnte vor Ort der schon vorhandene Mjölnir endlich mit seiner neuen Erbskette “verheiratet” werden.

Ich werde wohl nie den glücklichen Gesichtsausdruck meines Kunden vergessen, als er in einem unbeobachteten Moment ganz in sich gekehrt seinen endlich und mit solch enormem Aufwand wahrgewordenen Traum sichtbar zufrieden und vollends beseelt in seinen Händen halten konnte…

Erbskette für einen Mjölnir


Die Rückmeldung meines Kunden nach wenigen Wochen war für mich schließlich die größte Belohnung:

„… Nun hat mein, von Stefani gefertigter Mjölnir seinen “missing link” bekommen!!!

Eine komplett handgefertigte vollmassive Erbskette… die trotz des “enormen” Gesamtgewichts super angenehm zu tragen ist!
Ich trage diese permanent, egal ob Arbeit, Sport, immer…!

Durch die perfekt funktionierenden, beidseitig eingearbeiten Wirbel, gibt es selbst bei extremen Bedingungen kein Verdrehen, Haken oder ähnliches!

Ich bin überglücklich damit, absolut begeistert und so geht es jedem, der dieses Meisterstück zu Gesicht bekommt!

Ich danke Stefani für ihre unendliche Passion, ihr Können und ihre Geduld mit pedantischen Kunden wie mir.

…Und den Göttern für Menschen wie Stefani! …“