Während meines Volontariats als Restauratorin im LVR Landesmuseum in Bonn (damals noch Rheinisches Landesmuseum Bonn, kurz: „RLMB“) erhielt ich den außergewöhnlichen Auftrag, eine Abformung einer römischen Bacchus-Figur anzufertigen.
Die so gewonnene Kopie sollte anschließend dazu benutzt werden, Repliken der Bacchus-Figur herzustellen, die im Museumsshop des RLMB vermarktet werden können.
Ich stellte zuerst eine Silikon-Abformung vom Original und anschließend auf der Basis dieser Vorlage eine Kunstharzkopie der kleinen römischen Statuette her. Diese Kunstharz-Abformung diente dann wiederum als Gussvorlage für die Reproduktionen.
Während die neuen Bacchus-Repliken noch heute im Museumsshop des RLMB angeboten werden, wanderte eine Replik (Bild oben rechts) zur Erinnerung in mein Atelier und der gute alte Bacchus (Bild oben links) wieder zu seinen römischen Freunden in die Vitrine der Dauerausstellung des Bonner Museums. 😉

Über die Abformung musealer Objekte
Die Abformung musealer Objekte ist eine bewährte Technik, um wertvolle oder fragile Kunst- und Kulturgüter zu konservieren, zu reproduzieren oder ihre wissenschaftliche Untersuchung zu erleichtern. Dabei werden exakte Kopien eines Objekts erstellt, die in Material und Detailtreue das Original möglichst präzise nachbilden. Diese Methode spielt eine zentrale Rolle in der Konservierung und Vermittlung kulturellen Erbes, da sie nicht nur den Schutz der Originale unterstützt, sondern auch deren Zugänglichkeit und Verbreitung erhöht.
Der Prozess der Abformung beginnt mit der sorgfältigen Auswahl des zu reproduzierenden Objekts und der geeigneten Abformtechnik. Häufig verwendete Verfahren sind Silikon-, Gips- oder Wachsabformungen, je nach Beschaffenheit und Empfindlichkeit des Originals. Silikon beispielsweise eignet sich besonders für filigrane und detaillierte Oberflächen, da es eine hohe Elastizität besitzt und die kleinsten Strukturen erfassen kann. Gips wird traditionell für plastische Kunstwerke oder architektonische Elemente verwendet, während Wachs häufig für wissenschaftliche Studien oder anatomische Modelle zum Einsatz kommt. Moderne Technologien wie 3D-Scanning und -Druck bieten mittlerweile digitale Alternativen, die nicht-invasiv sind und den direkten Kontakt mit dem Objekt vermeiden.
Die Abformung dient verschiedenen Zwecken. Ein zentraler Aspekt ist die Konservierung. Besonders bei gefährdeten oder zerbrechlichen Objekten können Abformungen den Zustand des Originals dokumentieren und bewahren. Im Falle von Schäden oder Verlusten ermöglichen sie die Rekonstruktion des Objekts. Zudem können Abformungen als Ersatz für Originale in Ausstellungen genutzt werden, insbesondere wenn die Originale aufgrund von Empfindlichkeit gegenüber Licht, Temperatur oder Feuchtigkeit nicht dauerhaft gezeigt werden können. Dies gewährleistet einerseits den Schutz der Originale und macht andererseits die Inhalte der Sammlungen einem breiteren Publikum zugänglich.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die wissenschaftliche Forschung. Abformungen ermöglichen detaillierte Analysen, ohne das Original zu gefährden. Dies ist besonders bei archäologischen Funden von Bedeutung, bei denen die Untersuchung der Oberfläche wichtige Informationen über Herstellungstechniken, Gebrauchsspuren oder historische Kontexte liefern kann. Gleichzeitig erleichtert die Vervielfältigung von Objekten den Austausch zwischen Museen, Forschungseinrichtungen und Universitäten, was die Zusammenarbeit und das Studium kulturhistorischer Artefakte fördert.
Abformungen spielen auch in der Kunstvermittlung und Pädagogik eine entscheidende Rolle. Repliken erlauben es Besuchern, Kunstwerke aus der Nähe zu betrachten oder sogar zu berühren, was den Zugang zu kulturellem Erbe fördert und ein interaktives Lernerlebnis ermöglicht. In diesem Zusammenhang werden Abformungen oft in Workshops, Bildungsprogrammen oder barrierefreien Ausstellungen eingesetzt, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen.
Obwohl die Abformung zahlreiche Vorteile bietet, ist sie nicht ohne Herausforderungen. Der direkte Kontakt mit dem Original birgt immer ein gewisses Risiko, weshalb höchste Sorgfalt und Fachkenntnis erforderlich sind. Darüber hinaus ist es entscheidend, ethische und rechtliche Aspekte zu berücksichtigen, insbesondere bei der Abformung von Objekten mit sensibler kultureller Bedeutung.
Die Abformung musealer Objekte bleibt eine unverzichtbare Methode, um die Vergangenheit zu bewahren und gleichzeitig Wege zu finden, sie auf neue und innovative Weise zu teilen. Sie verbindet Kunst, Wissenschaft und Technik, um das kulturelle Erbe für zukünftige Generationen zugänglich und lebendig zu halten.
Wissenswertes über Bacchus
Bacchus, der römische Gott des Weins, des Rausches und der Fruchtbarkeit, ist eine faszinierende Gestalt der antiken Mythologie, die bis heute tief in der Kunst, Literatur und Kultur verwurzelt ist. Ursprünglich geht die Figur des Bacchus auf den griechischen Gott Dionysos zurück, dessen Kult nach Rom gelangte und dort angepasst wurde. Bacchus verkörpert die Freude am Leben, die ekstatische Hingabe und die Verbindung zur Natur, wobei er oft als Symbol für Überfluss und Lebenskraft betrachtet wird.
Die Darstellung von Bacchus in der Mythologie ist eng mit Festlichkeiten und Weinlese verbunden. Er wird häufig mit Reben, einem Trinkgefäß oder einem Thyrsosstab dargestellt, einem Stab, der mit Weinlaub und Efeu umwickelt ist und ein Symbol seiner Macht darstellt. Sein Gefolge, bestehend aus Satyrn, Silenen und Mänaden, begleitet ihn oft in wilden, ekstatischen Tänzen, die seine lebensfrohe und ungezähmte Natur widerspiegeln. Diese Darstellungen betonen die Verbindung von Bacchus zur unkontrollierten, schöpferischen Energie, die sowohl inspirierend als auch destruktiv sein kann.
Die Bacchusverehrung spielte eine wichtige Rolle im religiösen und sozialen Leben der Römer. Bacchanalien, die ursprünglich geheime Kulte waren, wurden als Feste zu seinen Ehren gefeiert und standen für Fruchtbarkeit, Lebensfreude und spirituelle Erneuerung. Diese Feste waren oft von ausgelassener Stimmung geprägt, die Musik, Tanz und den Konsum von Wein einschloss. Gleichzeitig galten sie als kontrovers, da sie nicht nur Freude und Freiheit symbolisierten, sondern auch die Grenzen der gesellschaftlichen Ordnung infrage stellten. Historische Quellen, wie die Schilderungen des römischen Historikers Livius, berichten von politischen und moralischen Konflikten, die aus der Ausbreitung dieser Kulte resultierten.
Bacchus verkörpert jedoch mehr als nur den Rausch und die Festlichkeit. Er symbolisiert auch die transformative Kraft, die sowohl in der Natur als auch im menschlichen Geist liegt. Der Prozess der Weinherstellung – von der Traube über die Gärung zum Wein – wurde in der Antike als ein Wunder angesehen, das Bacchus zugeschrieben wurde. Damit stand er für Wandlung und Erneuerung, eine Idee, die besonders in der Kunst und Philosophie aufgegriffen wurde. In der Renaissance wurde Bacchus als Muse der Kreativität angesehen, da der Wein, den er repräsentierte, als Quelle der Inspiration betrachtet wurde.
In der bildenden Kunst wurde Bacchus oft dargestellt, um Themen wie Ekstase, Dekadenz oder die Vergänglichkeit des Lebens zu symbolisieren. Künstler wie Caravaggio und Tizian schufen ikonische Werke, die den Gott in unterschiedlichsten Facetten zeigen, von einem jugendlichen, heiteren Bacchus bis hin zu einem nachdenklichen, reifen Gott, der die Ambivalenz zwischen Genuss und Exzess reflektiert. Diese Darstellungen verdeutlichen, wie tief Bacchus mit der menschlichen Natur und ihren Widersprüchen verbunden ist.
Heute wird Bacchus oft als Sinnbild für Genuss und Hedonismus gesehen, doch seine Rolle in der Mythologie und Kultur ist vielschichtiger. Er steht für Lebensfreude, Kreativität und die Kraft der Erneuerung, aber auch für die Herausforderung, die Balance zwischen Maß und Exzess zu finden. Bacchus bleibt eine zeitlose Figur, die das Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Ekstase, Ordnung und Chaos erfahrbar macht. Sein Erbe lebt weiter in Festen, der Kunst und im Symbol des Weins, der seit Jahrtausenden Menschen verbindet.