Der Ohrring aus dem Mainzer „Giselaschmuck“

Ohrring Mainzer Giselaschmuck Goldschmuck


Der Mainzer Goldschmuck, früher besser bekannt als der sogenannte „Giselaschmuck“ oder „Schmuck der Kaiserin Agnes“ gilt seit Jahrzehnten als eines der Hauptwerke mittelalterlicher europäischer Goldschmiedekunst. Die spannenden Geschichten rund um die einzelnen Funde, den schwerreichen Sammler Baron Maximilian von Heyl oder sogar den späteren Erwerb des Schatzes durch Kaiser Wilhelm II. sowie der anschließenden Übergabe der Heylschen Sammlung an das spätere Bodemuseum in Berlin faszinieren noch heute.

Neben der weltberühmten Adlerfibel, der großen Goldbuckelfibel und dem seltenen Halsschmuck ragt hinsichtlich der enormen Qualität der Goldschmiedearbeiten vor allem ein weiteres Objekt heraus: Ein goldener Halbmondohrring, der im Jahre 1904 bei Abrissarbeiten im Gebiet der ehemaligen Mainzer Stadionerhofkaserne in vier Metern Tiefe zusammen mit einer byzantinischen Goldmünze entdeckt wurde. Neueste Untersuchen lassen inzwischen sogar die Existenz einer ehemaligen Kaiserpfalz mitten im Stadtgebiet von Mainz vermuten.

Eben jener herausragende Goldohrring war unser Vorbild für eine Replik dieses bemerkenswerten mittelalterlichen Schmuckstücks in Form eines Colliers aus vergoldetem Silber.


Mainzer Gilselaschmuck Replik



Wie immer war uns eine größtmögliche Detailtreue bei der Wiedergabe dieses historischen Schmuckstücks besonders wichtig. Da alle, oder wenigstens ein Teil der Edelsteine auf dem Original-Ohrring vom „Giselaschmuck“ wohl spätere Ergänzungen sein dürften, haben wir uns ebenfalls die Freiheit genommen, den Edelsteinschmuck auf dem mittelalterlichen Ohrring für unsere Anhänger-Version neu zu interpretieren: Zwei blutrote Rubine und ein edler Smaragd im Zentrum des Anhängers. Auch den am Original fehlenden unteren Perlenkranz haben wir aus echten Saatperlen wieder ergänzt.


Halbmondohrring Mainzer Goldschmuck



Alle Details des Anhängers wurden in vierwöchiger Handarbeit aufwändig einzeln hergestellt: Das Fundament aus Silberblech mit originalgetreuem Filigranschmuck auf der Rückseite des Anhängers, die dekorativen Wellenbänder rund um den Ohrring, die Fassungen der Perlen mit Kordeldrahtumrandung ebenso wie die drei Edelsteinfassungen mit zusätzlichen Ösenkrappen, die vielen winzigen „Bienenkörbe“ aus gekordeltem Draht – ja sogar jedes einzelne Kügelchen für die beiden fein granulierten Buckel links und rechts an unserem Anhänger.


Giselaschmuck Ohrring Replik



So entstand aus unserer – ganz und gar unbescheidenen 😉 – Sicht eine einzigartige Goldschmiede-Replik, die dem mittelalterlichen Charme und der bezaubernden Ausstrahlung des Originalohrrings aus dem „Giselaschmuck“ in nichts nachsteht.



Replik Ohrring Giselaschmuck




Wissenswertes zum sogenannten „Giselaschmuck“

Der sogenannte „Mainzer Giselaschmuck“ ist ein bedeutendes Ensemble mittelalterlicher Goldschmiedekunst, das nicht nur durch seine kunstvolle Gestaltung, sondern auch durch seine komplexe Entdeckungsgeschichte und die wissenschaftlichen Diskussionen rund um seine Authentizität und Herkunft beeindruckt. Benannt nach Kaiserin Gisela (984/85–1060), der Gemahlin Kaiser Konrads II., gilt dieses Schmuckensemble als ein exemplarisches Zeugnis der Ottonischen Zeit. Obwohl die Zuschreibung an Gisela nicht abschließend bewiesen ist, zeugt der Schmuck von der Handwerkskunst und dem kulturellen Reichtum des Mittelalters.


Entdeckung und die historische Einordnung

Die Geschichte des Mainzer Giselaschmucks beginnt im Jahr 1880, als bei Bauarbeiten in Mainz ein außergewöhnliches Schmuckstück, eine große goldene Fibel, entdeckt wurde. Dieses Fundstück zeigte eine kunstvoll gestaltete Darstellung eines Pfaus oder Adlers, eine symbolträchtige Figur, die sowohl in der christlichen als auch der weltlichen Kunst des Mittelalters Bedeutung hatte. In den Folgejahren tauchten weitere Schmuckstücke bei Kunsthändlern in der Region auf, darunter goldene Ohrringe, Ketten, Ringe und eine kleinere Adlerfibel. Die genaue Herkunft dieser Stücke blieb jedoch lange unklar. Die frühen Angaben über die Fundorte schwankten zwischen verschiedenen Gebieten in und um Mainz, was die Rekonstruktion des ursprünglichen Kontextes des Schmucks erschwerte.

Ein Großteil der Stücke wurde schließlich von Baron Maximilian von Heyl erworben, einem bekannten Kunstsammler der Zeit. Später wurde das Ensemble dem Berliner Kunsthistoriker Wilhelm von Bode vorgelegt, der die Sammlung kurzerhand als Schmuck der Kaiserin Gisela deklarierte. Diese Zuschreibung verlieh dem Fund großen Ruhm, obwohl sie mehr auf Vermutungen als auf gesicherten Beweisen beruhte.


Die Bedeutung des Namens

Die Namensgebung „Giselaschmuck“ stützt sich auf die Vermutung, dass es sich bei den Schmuckstücken um Besitztümer der Kaiserin Gisela handeln könnte, die als eine der einflussreichsten Frauen ihrer Zeit galt. Sie war bekannt für ihre enge Verbindung zur Kirche und ihre Förderung der Kunst. Es gibt jedoch keine direkten Beweise, dass die Schmuckstücke tatsächlich Gisela gehörten. Dennoch war die Zuschreibung ein bedeutender Schritt, um die Sammlung in einen größeren historischen Kontext einzuordnen und ihr eine kulturelle wie symbolische Bedeutung zu verleihen.


Kunsthandwerk und Symbolik

Der Mainzer Giselaschmuck umfasst insgesamt 21 Schmuckstücke, die durch ihre aufwendige Verarbeitung und stilistische Vielfalt beeindrucken. Besonders hervorzuheben sind:

1. Die große Adler- oder Pfauenfibel: Dieses Hauptstück des Ensembles wird auf das 10. bis frühe 11. Jahrhundert datiert. Es besteht aus Gold und ist mit Edelsteinen, Perlen und Glaseinlagen verziert. Die Fibel zeigt ein Mischwesen, das je nach Interpretation als Adler oder Pfau gedeutet wird. Beide Tiere hatten im Mittelalter eine symbolische Bedeutung: Der Adler galt als Herrschersymbol, während der Pfau als Sinnbild für Unsterblichkeit und den christlichen Glauben angesehen wurde.

2. Die kleinere Adlerfibel: Dieses Stück ist ähnlich kunstvoll gestaltet, jedoch weniger prominent als die große Fibel. Es könnte als Teil eines Paares getragen worden sein und weist ebenfalls eine reichhaltige Verzierung mit Edelsteinen auf.

3. Goldene Ohrringe und Ketten: Diese Stücke zeigen Einflüsse byzantinischer Goldschmiedekunst, was auf die weitreichenden kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen des Heiligen Römischen Reichs hinweist. Besonders bemerkenswert ist ein halbmondförmiger Ohrring, der in seiner Form und Verzierung typisch für den mediterranen Raum ist.

4. Ringe mit Gravuren und Edelsteinen: Einige der Ringe aus dem Ensemble tragen fein gearbeitete Gravuren und eingearbeitete Steine, die möglicherweise magische oder religiöse Bedeutungen hatten. Solche Schmuckstücke wurden oft nicht nur als Zierde getragen, sondern auch als Schutz- oder Segensamulette.


Die Diskussion um die Authentizität

Seit seiner Entdeckung hat der Mainzer Giselaschmuck immer wieder zu wissenschaftlichen Kontroversen geführt. Bereits im späten 19. Jahrhundert wurde die Einheitlichkeit des Ensembles angezweifelt. Einige Experten vermuteten, dass nicht alle Schmuckstücke aus der gleichen Epoche stammen und dass manche möglicherweise spätere Ergänzungen oder sogar Fälschungen aus dem 19. Jahrhundert sein könnten. Dies wurde vor allem durch stilistische Unterschiede und Variationen in der Verarbeitung unterstützt.

Moderne Untersuchungen, darunter Analysen der verwendeten Materialien und Herstellungstechniken, haben gezeigt, dass die Stücke tatsächlich aus unterschiedlichen Zeiträumen stammen. Während einige Objekte zweifelsfrei auf das 10. bis 12. Jahrhundert datiert werden können, zeigen andere Anzeichen für eine spätere Herstellung. Diese Erkenntnisse werfen die Frage auf, ob der Schmuck ursprünglich als einheitliches Set existierte oder ob es sich um eine Sammlung handelt, die im Laufe der Jahrhunderte zusammengestellt wurde.


Provenienzforschung und moderne Analysen

In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, um die Herkunft und Authentizität des Schmucks besser zu verstehen. Unter anderem hat das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin nicht-invasive Analysemethoden eingesetzt, um die chemische Zusammensetzung des Goldes und der Edelsteine zu bestimmen. Diese Analysen konnten Hinweise auf die Herkunft der Materialien und die angewandten Techniken liefern.

Ein bedeutender Aspekt der Forschung war die Feststellung, dass einige der Edelsteine und Emaillearbeiten auf byzantinische oder orientalische Einflüsse hindeuten. Dies deutet darauf hin, dass der Schmuck nicht nur Zeugnis für das lokale Handwerk ist, sondern auch die internationalen Verbindungen des mittelalterlichen Europas widerspiegelt.


Ausstellungen und öffentliche Wahrnehmung

Der Mainzer Giselaschmuck wurde im Laufe der Jahre in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, zuletzt im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Dort wurden die Schmuckstücke im Kontext ihrer historischen und künstlerischen Bedeutung präsentiert. Eine Ausstellung im Jahr 2017 widmete sich insbesondere der spannenden Entstehungs- und Entdeckungsgeschichte des Schmucks und thematisierte auch die Fragen der Authentizität und Provenienz.

Die öffentliche Wahrnehmung des Mainzer Giselaschmucks ist eng mit seiner Zuschreibung an Kaiserin Gisela verknüpft. Diese Verbindung verleiht den Stücken eine Aura des Besonderen und Historischen, auch wenn die wissenschaftlichen Beweise für diese Beziehung nicht eindeutig sind. Dennoch bleibt der Schmuck ein beeindruckendes Zeugnis mittelalterlicher Kunstfertigkeit und ein wichtiges Beispiel für die komplexen kulturellen Verflechtungen der Ottonischen Zeit.


Fazit

Der Mainzer Giselaschmuck ist ein faszinierendes Beispiel für die Kunst und Kultur des Mittelalters, das weit über seine ästhetischen Qualitäten hinausgeht. Er erzählt eine Geschichte von Handwerkskunst, kulturellen Verbindungen und der Faszination für das Mittelalter, die bis in die Gegenwart anhält. Obwohl Fragen zur Authentizität und Einheitlichkeit des Ensembles weiterhin bestehen, bleibt der Schmuck ein bedeutendes Objekt der Kunstgeschichte, das sowohl Forscher als auch die Öffentlichkeit begeistert. Mit modernen Analysemethoden und weiterführender Provenienzforschung wird der Mainzer Giselaschmuck auch in Zukunft ein spannendes Forschungsfeld bleiben und Einblicke in die Welt des mittelalterlichen Adels und der Goldschmiedekunst bieten.