Ein Edelstein-Bucheinband für ein französisches Stundenbuch

Edelstein Bucheinband

Im Sommer 2010 lies sich ein Privatkunde – ehemals Vorstand einer großen deutschen Krankenversicherung – sein Lieblingsbuch, ein französisches Stundenbuch aus dem Jahre 1896 mit einem neuen Edelstein-Bucheinband versehen.

Das war für uns ein ganz besonderer Auftrag. Unser bibliophiler Kunde besuchte mehrmals unser Atelier, um alle Details des neuen Bucheinbandes gemeinsam mit uns abzustimmen.

Schließlich entschied er sich für einen Bucheinband im gotischen Stil mit mittelalterlichem Filigran und sehr großen Bergkristallen auf den Beschlagecken.

Stundenbuch Bucheinband liegend
Bucheinband liegend


Insgesamt wurden 40 echte Zuchtperlen, 4 große Bergkristalle, 4 Berylle, 4 Rosenquarze und 6 echte Rubine verarbeitet. Der Bucheinband und die Buchschließen wurden mit 24-Karat-Feingold vergoldet.

Der Prachtband hat 2 zusätzliche Buchschließen mit jeweils einem Rubin und 4 Zucht-Perlen.

Bucheinband Stundenbuch mit Buchschliessen


Die „Elfenbeintafel“ im gotischen Stil in der Mitte des Vorderdeckels mit der Darstellung der Anbetung der Heiligen Drei Könige wurde analog zu den heute üblichen Techniken professioneller Museumskopien erstellt: Aus einem speziellen Kunstharz mit mineralischen Pigmenten und einer abschließenden Patinierung (inkl. den typischen Alterungsrissen von antikem Elfenbein).

Stundenbuch im gotischen Stil
Edelstein-Bucheinband für ein Stundenbuch


Nach einigen Wochen konnte unser Bücherfreund endlich sein Lieblingsbuch wieder in Empfang nehmen. Seine sichtliche Rührung war für uns nochmal eine zusätzliche Belohnung für dieses wunderbare und überaus spannende Projekt.

Prachteinband eines Stundenbuchs mit Edelsteinen



Wissenswertes über französische Stundenbücher

Das französische Stundenbuch gehört zu den faszinierendsten und bedeutendsten Artefakten der mittelalterlichen Buchkunst. Sie dienten als persönliche Gebetsbücher und waren im Spätmittelalter und der frühen Renaissance äußerst verbreitet. Ein Stundenbuch, auch bekannt als „Books of Hours“, war speziell für die private Andacht von Laien konzipiert und bot ihnen die Möglichkeit, an den liturgischen Praktiken der Kirche teilzunehmen. Diese Bücher enthielten in der Regel eine Sammlung von Gebeten, Psalmen und Andachten, die nach den kanonischen Stunden des Tages geordnet waren – daher ihr Name. Französische Stundenbücher zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche künstlerische Gestaltung, die Vielfalt ihrer Inhalte und ihre Rolle als Ausdruck von Frömmigkeit und Statussymbol aus.

Der Ursprung der Stundenbücher lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen, doch ihre Blütezeit erreichten sie im 14. und 15. Jahrhundert, insbesondere in Frankreich. Sie wurden in einer Zeit hergestellt, in der das Christentum das gesamte Leben der Menschen prägte, und boten eine strukturierte Form der täglichen Andacht. Der Kern eines jeden Stundenbuches war das sogenannte „Offizium der Jungfrau Maria“ (Officium Beatae Mariae Virginis), eine Reihe von Gebeten und Psalmen, die der Gottesmutter gewidmet waren. Diese Texte wurden im Stundenbuch von weiteren Abschnitten ergänzt, darunter das Kalenderverzeichnis mit Heiligenfesten, die Bußpsalmen, die Totenoffizien sowie individuelle Gebete und Litaneien.

Die französischen Stundenbücher sind besonders für ihre kunstvollen Illuminierungen bekannt, die den Text umrahmten und ergänzten. Die Buchmalerei erlebte eine bemerkenswerte Entwicklung, und Frankreich wurde zu einem führenden Zentrum dieser Kunstform. Die Illustrationen in einem Stundenbuch waren weit mehr als bloßer Schmuck; sie dienten dazu, die Frömmigkeit der Leser zu fördern, indem sie Szenen aus der Bibel, das Leben der Heiligen oder symbolische Darstellungen zeigten. Die Miniaturen, Randverzierungen und Initialen wurden von erfahrenen Buchmalern gestaltet, die eine beeindruckende Detailgenauigkeit und Farbbrillanz erreichten. Vergoldungen, aufwendige Pigmente und Blattgold verliehen dem Stundenbuch eine strahlende Pracht und unterstrichen seinen exklusiven Charakter.

Die Herstellung eines Stundenbuches war ein aufwendiger und zeitintensiver Prozess, der die Zusammenarbeit mehrerer Spezialisten erforderte. Zunächst wurde der Text von einem Schreiber auf Pergament oder feines Kalbsleder kopiert. Anschließend kamen die Buchmaler ins Spiel, die die Seiten mit kunstvollen Illustrationen und Ornamenten bereicherten. Oft wurde das Stundenbuch von einem Buchbinder mit kostbaren Einbänden versehen, die aus Leder, Samt oder sogar Edelmetallen gefertigt waren. Jedes Exemplar war ein Unikat und konnte auf die spezifischen Wünsche und Bedürfnisse des Auftraggebers zugeschnitten werden.

Die Auftraggeber von Stundenbüchern gehörten in der Regel dem Adel, dem reichen Bürgertum oder der Geistlichkeit an. In Frankreich waren solche Bücher ein wichtiges Statussymbol, das nicht nur die Frömmigkeit, sondern auch den Reichtum und die kulturelle Raffinesse des Besitzers demonstrierte. Ein Stundenbuch wurde oft anlässlich von Hochzeiten oder anderen wichtigen Ereignissen in Auftrag gegeben und mit Wappen oder persönlichen Widmungen versehen. Einige der bekanntesten Stundenbücher wurden für Mitglieder des französischen Königshauses und hochrangige Adlige geschaffen, darunter das „Très Riches Heures du Duc de Berry“, das als Meisterwerk der französischen Buchmalerei gilt. Dieses außergewöhnliche Werk wurde von den Brüdern Limbourg im frühen 15. Jahrhundert geschaffen und zeichnet sich durch seine reichen Miniaturen und die detaillierten Monatskalender aus, die das ländliche und höfische Leben jener Zeit auf einzigartige Weise darstellen.

Die Inhalte der Stundenbücher waren nicht nur liturgisch, sondern auch symbolisch und persönlich geprägt. Der Kalenderteil bot beispielsweise eine Übersicht über wichtige kirchliche und lokale Feiertage, während die Bußpsalmen die Leser zur Reflexion und Reue anregten. Die Totenoffizien waren ein Ausdruck der mittelalterlichen Beschäftigung mit dem Tod und dem Jenseits und boten Gebete für die Verstorbenen. Gleichzeitig wurden in vielen Stundenbüchern individuelle Gebete und Widmungen hinzugefügt, die die persönlichen Glaubensüberzeugungen und Anliegen des Besitzers widerspiegelten. Dies verlieh den Büchern eine besondere Intimität und machte sie zu einem unverzichtbaren Begleiter im Alltag.

Die künstlerische Gestaltung der französischen Stundenbücher war eng mit den Entwicklungen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Malerei verbunden. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich der Stil der Illustrationen, wobei die Künstler zunehmend realistische Darstellungen anstrebten. Während die frühen Stundenbücher eher stilisierte und symbolische Darstellungen enthielten, zeichnen sich spätere Werke durch ihre Detailfülle, naturalistische Landschaften und lebendige Figuren aus. Die Künstler experimentierten mit Perspektive, Licht und Schatten und schufen auf diese Weise Miniaturen, die den Eindruck von Dreidimensionalität erwecken. Diese Entwicklung spiegelt den Einfluss der Renaissance wider, die auch in Frankreich die Kunst revolutionierte.

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt französischer Stundenbücher ist die Vielfalt ihrer Themen und Motive. Neben biblischen Szenen und Heiligenlegenden enthalten viele Bücher Darstellungen aus dem täglichen Leben, allegorische Motive oder sogar humorvolle Details. Die Randverzierungen, die häufig mit floralen Mustern, Tieren oder Fabelwesen geschmückt sind, zeugen von der Kreativität und dem Einfallsreichtum der Buchmaler. Diese dekorativen Elemente verleihen den Büchern eine spielerische Leichtigkeit und stehen im Kontrast zu den oft ernsten religiösen Texten.

Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit verlor das Stundenbuch allmählich an Bedeutung, als der Buchdruck die Herstellung von Büchern revolutionierte. Gedruckte Andachtsbücher wurden erschwinglicher und lösten die handgeschriebenen Stundenbücher nach und nach ab. Dennoch blieben viele der illuminierten Manuskripte erhalten, da sie wegen ihrer kunstvollen Gestaltung und ihres historischen Wertes geschätzt wurden. Heute sind französische Stundenbücher in Museen, Bibliotheken und Privatsammlungen auf der ganzen Welt zu finden und werden als kulturelle Schätze bewahrt.

Die Bedeutung französischer Stundenbücher liegt nicht nur in ihrer liturgischen Funktion, sondern auch in ihrer Rolle als Kunstwerke und historische Dokumente. Sie bieten einen Einblick in die religiösen Praktiken, die sozialen Strukturen und die ästhetischen Vorlieben des mittelalterlichen Frankreich. Gleichzeitig sind sie ein Zeugnis der außergewöhnlichen Fähigkeiten der mittelalterlichen Buchmaler und Schreiber, die mit ihren Werken einen bleibenden Eindruck in der Geschichte der Buchkunst hinterlassen haben. Bis heute faszinieren diese prachtvollen Bücher durch ihre Schönheit, ihren Detailreichtum und die Geschichten, die sie erzählen, und sie erinnern uns daran, wie tief Kunst und Religion in der mittelalterlichen Kultur miteinander verbunden waren.