Vor einigen Monaten bereits wurde ein Kunde auf uns aufmerksam, der über eine besonders ausgeprägte Leidenschaft für Goldschmiedearbeiten aus dem Mittelalter verfügt und der außerdem mit einem geschulten Geschmack und mit einem bemerkenswert fundierten Wissen über diesen Abschnitt historischer Goldschmiedearbeiten aufwarten kann.
Nachdem wir bereits den Grundstock für ein außergewöhnliches Pektorale für ihn anfertigen durften, beauftragte er jetzt einen Fingerring im Stil des Hochmittelalters mit aufwändiger Arkadenfassung für einen seltenen und ganz wundervollen mittelalterlichen Saphir aus seiner Sammlung.
Bemerkenswert ist noch, dass unser Kunde eine besonders ausgeprägte Patinierung, also eine künstliche Alterung des Ringes wünschte, um den mittelalterlichen Originalen möglichst nahe zu kommen.
Nach der Vorbereitung der Ausgangsmaterialien, wie beispielsweise einem gekordelten Draht und einem dünnen Walzblech – beides aus hochlegiertem Gold – konnte direkt mit der Anfertigung der aufwändigen Arkaden-Edelsteinfassung für diesen ganz besonderen Fingerring begonnen werden.
Als Arkaden-Fassung bezeichnet man speziell verzierte Edelsteinfassungen, die außen wie die Arkaden von Häusern gestaltet werden. Diese Fassungen tauchen im Mittelalter auf Gemmenkreuzen oder Bucheinbänden auf und sollten die Gebäude und Straßen des himmlischen Jerusalems symbolisieren.
Die Arkaden unserer Edelsteinfassung für den Mittelalter-Ring wurden aus zunächst gekordeltem und danach gewalztem Golddraht hergestellt und auf das Goldblech der späteren Edelsteineinfassung aus 750/– Gelbgold aufgelegt. Danach konnten die “Arkaden” fest mit dem Goldblech verlötet werden.
Ich finde, man kann vor dem Hintergrund meines düsteren “Kerkergitters” bereits das Mittelalter – zwar langsam aber dennoch unzweifelhaft und überzeugend – aus der Ferne heraufdämmern sehen 😉 .
Nun wird die Fassung – der Form des mittelalterlichen Saphirs folgend – gebogen, geschlossen und schließlich zusammengelötet. Danach wird eine sogenannte “Innenzarge” (eine Art innenliegender Ring) in diese Fassung eingelötet, auf der der Saphir später sicher und fest aufliegen kann.
Jetzt war es Zeit, die “Kapitelle” der Arkaden aufzusetzen. Dazu wurde ein winziger Golddraht flachgewalzt, in wenige millimetergroße Stücke geteilt, gebogen und auf zwei nebeneinanderliegende Arkadenbögen aufgeklemmt, um ihn anschließend dort fest zu verlöten:
Nun folgte die eigentliche Ringschiene. Dafür wurde wiederum ein kräftiger Golddraht ausgewalzt und in die gemeinsam mit dem Kunden ermittelte Ringgröße zusammengebogen. Dafür kam ein spannendes Werkzeug zum Einsatz – eine sogenannte Ringbiegezange:
Die fertige Ringschiene konnte jetzt an die mittelalterliche Arkadenfassung angelötet werden. Dafür wurden die Lotstellen mit einem speziellen Flussmittel benetzt, dann ein kleines Stückchen Goldlot in der Flamme zu einer winzigen Kugel geformt, die dann während des Lötvorgangs an die Lötstelle angesetzt werden konnte. Direkt danach umfließt das Lot bereits in der heißen mundgeblasenen Flamme die Anschlussstelle zwischen Fassung und Ringschiene – und beide Teile sind nach dem Erkalten auf ewig miteinander verbunden 😉
Hier dieser Löt-Vorgang nochmal als Mini-Video:
Ein weiterer Höhepunkt dieses außergewöhnlichen Rings ist sicher die Gravur der Ringschiene. Nach Wunsch unseres Kunden sollten hier einige lateinische Worte aus dem ersten Satz der “Regula Benedicti“, also des Klosterregulariums des Heiligen Benedikt von Nursia eingraviert werden.
Dafür wurde mit dem Kunden abgestimmt, dass die Gravur sowohl auf der Außen- wie auch auf der Innenseite der Ringschiene erfolgen soll und das dafür die selbe gotische Schriftart verwendet werden darf, die er auch bereits für die Umschrift auf seinem Pektorale ausgewählt hatte.
Hier einen kurzen Einblick in die Fräsgravur (die danach noch mit einem Stichel geglättet und anschließend geschwärzt wurde):
Es ist immer wieder eine sehr interessante Herausforderung für eine Goldschmiedin wie mich, wenn ich meine nunmehr über Jahrzehnte mühsam angeeigneten und hochtrainierten handwerklichen Fähigkeiten hinsichtlich einer möglichst präzisen Anfertigung wieder beinahe ausblenden muss, wenn es ganz am Ende darum geht, das Objekt überzeugend um viele Jahrhunderte altern zu lassen 😉 .
Hier zum Abschluss noch ein paar schöne Impressionen von diesem wirklich außergewöhnlichen Ring:
Den Geschmack unseres Kunden jedenfalls haben wir ganz offenbar erneut getroffen:
“… Ach das ist ja grandios!!!
Wieder einmal ein Meisterwerk …”
“… Sagenhaft, in jeder Hinsicht. Sie haben wirklich ein beneidenswertes Talent und Gefühl für die alten Techniken, das Flair und den Zauber dieser Goldschmiedekunst. Dankeschön! …”