Ein Vortragekreuz für Italien

Vortragekreuz für Italien

Als Geschenk für seine anstehende Priesterweihe bestellte ein Diakon aus Italien bei uns zum Anfang des Jahres ein sehr aufwändiges Vortragekreuz. Das Prozessionskreuz sollte möglichst in seiner Form und Ausstattung einem historischen Vorbild (“Vortragekreuz des Domkapitels”) aus dem Domkapitel des St. Paulus Doms in Münster aus dem 13. Jahrhundert ähneln, ohne dabei alle Details des Originals allzu exakt zu wiederholen.

Das ca. 40 cm große Vortragekreuz sollte in Anlehnung an das Original auf der Vorderseite aufwändig mit Edelsteinen und Filigran geschmückt werden und auf der bescheideneren Rückseite eine kleine Gravur mit einer Mariendarstellung aus der ursprünglichen Heimatpfarrei unseres Kunden erhalten.

Unser Vorschlag beinhaltete deshalb eine Art der Ausstattung, die sowohl das romanische Vorbild angemessen zitiert und dabei gleichzeitig auch eine Brücke zur Neuzeit schlägt.

Als Edelsteinschmuck wurden für die vier Kreuzenden taubenblutrote Rubine, große Bergkristalle als Symbole für die Stigmata Christi und ein himmelblauer Topas als Symbol für Gottvater ausgewählt. Als Ausstattung für die Kreuzinnenflächen als Träger für den Corpus Christi wurden Smaragde, Saphire und Amethyste bestimmt.

Edelsteine für das Vortragekreuz
Rubin-, Saphir- und Smaragdcabochons für das Vortragekreuz



Weiterhin wünschte sich unser Kunde einen Koffer zur sicheren Aufbewahrung des Kreuzes sowie eine möglichst teilbare Tragestange und einen passenden Ständer. Dazu wurde gemeinsam mit unserem Kofferlieferanten zuerst ein Konzept für eine praxistaugliche Ablage und die naheliegendste Entnahmereihenfolge der einzelnen Teile sowie für den passgenauen Ausschnitt der Schaumstoffeinlagen des Koffers erstellt und anschließend mit dem Kunden abgestimmt:

Koffer für Vortragekreuz
Geplante Ablage der einzelnen Teile des Vortragekreuzes im Koffer



Danach orderten wir eine perfekt dazu passende Tragestange aus gedrechselter dunkler Eiche und teilten sie in drei gleichgroße Elemente auf, die man später leicht und trotzdem sehr stabil wieder miteinander verschrauben und bei Bedarf in der Zwischenzeit bequem zusammen mit Kreuz und Ständer in dem Tragekoffer verstauen kann.

Tragestange für Vortragekreuz
Eine teilbare Tragestange aus dunkel gebeizter Eiche



Für die Gravur der nur 5 x 5 cm großen Mariendarstellung auf der Rückseite des Kreuzes konnten wir einen erfahrenen Handgraveur aus dem Rheinland gewinnen, der uns in Handarbeit die vom Kunden gewünschte Darstellung (ein großes historisches Bleiglasfenster aus der Kirche seiner heimatlichen Pfarrei) stilistisch exakt und in einer bemerkenswerten Qualität als Gravur auf dem kleinen vergoldeten Beschlag wiedergeben konnte.

Grafikvorlage des Kunden
Die Grafikvorlage unseres Kunden: Ein Bleiglasfenster aus seiner Heimatpfarrei

Gravur einer Mariendarstellung mit Strahlenkranz
Nur 5 x 5 cm große Handgravur der Mariendarstellung mit Strahlenkranz und Mondsichel



Dabei werden die Linien mit Hilfe von sogenannten Gravursticheln in verschiedenen Stärken von Hand in das Metall geritzt bzw. eingeschnitten. Wenn man bedenkt, dass eine solche Arbeit ja keinen einzigen Fehler toleriert, ist es leicht, die handwerkliche Kunst und erstaunliche Geschicklichkeit des Meisters in der fertigen Gravur wiederzuerkennen.

Gravurstichel für eine Handgravur
Gravurstichel für eine Handgravur



Als nächstes fertigten wir den Holzkern zur späteren stabilen Aufnahme der vergoldeten Zierbeschläge an und “verheirateten” ihn 😉 erstmals mit der etwa mannshohen Tragestange.

Tragestange und Vortragekreuz
Erstmalige “Hochzeit” der Tragestange mit dem neuen Holzkern des Vortragekreuzes



Jetzt ging es langsam auf die Zielgerade: Die ersten handgearbeiteten Beschläge wurden mit den Fassungen der später dort vorgesehenen Edelsteine versehen, damit im Anschluss daran der Filigranschmuck exakt an die erst jetzt zur Verfügung stehenden Zwischenräume anpasst werden konnte.

Beschlag mit Edelsteinfassungen
Fertig aufgelötete Edelsteinfassungen



Jetzt war endlich “die Bahn frei” für die Königsklasse: Das Filigran. Mit dem Kunden wurde an einem vorbereiteten Beispiel der spätere Filigranschmuck abgestimmt. Die Form der einzelnen Filigranornamente orientierte sich dabei nahezu exakt an den hochmittelalterlichen Vorbildern aus dem 12. und 13. Jahrhundert.

Filigranschmuck für ein Vortragekreuz
Probeweises Auflegen des Filigrans vor dem Löten



Jetzt folgte der vielleicht kniffligste Arbeitsschritt: Das Verlöten des Filigrans. Die einzelnen Filigran-Ornamente wurden dabei mit Silber-Hartlot verlötet. Wie man sieht, muss das feine Gespinst aus den hauchdünnen Filigranschlaufen dabei richtig was aushalten: 😉

Löten des Filigran
Verlöten des Filigranschmucks


Nachdem die Filigranbeschläge schließlich “aus dem Feuer” gekommen sind, sehen sie noch etwas mitgenommen aus. Man kann jetzt nur schwer erahnen, welche magische Pracht die später vergoldeten und teilweise polierten Beschläge am Vortragekreuz zum Beispiel im strahlendem Sonnenschein entfalten werden.

Filigranbeschläge
Filigranbeschläge frisch “aus dem Feuer”



Nachdem nun auch die fast 200 Zierstifte einzeln poliert wurden, konnten sie endlich auch ihr Bad in der Vergoldung nehmen. Das Ergebnis sieht fast aus wie ein Kunstwerk von Günther Uecker. 😉

Vergoldete Zierstifte
Vergoldete Zierstifte für die Rück- und Seitenbeschläge



Mit Hilfe der neuen Ziernägel konnten jetzt auch die frisch vergoldeten Seiten- und Rückbeschläge sowie die Handgravur im Zentrum der Rückseite des Vortragekreuzes montiert werden.

Hier war uns der Kontrast der eher modernen und schlichten Rückseite zur klassischen und deutlich aufwändigeren Vorderseite des Kreuzes besonders wichtig.

Rückseite Prozessionskreuz
Fertige “moderne” Rückseite des Prozessionskreuzes



Endlich sind jetzt auch die Filigranbeschläge der Vorderseite fertig vergoldet und konnten ein erstes Mal probeweise aufgelegt werden. Jetzt zeigt sich bereits langsam die Wirkung der ausgeklügelten Techniken der mittelalterlichen Goldschmiede-Meister, die ebenfalls mit aufwändigem Filigranschmuck aus Perldrähten gearbeitet haben.

Filigranbeschläge mit Perldrähten
Die Filigranbeschläge der Vorderseite sind fertig vergoldet



Die Wirkung dieser mittelalterlichen Perldraht-Ornamente ist einfach überwältigend. Die vielen Lichtreflexe auf diesen verschiedenen Oberflächen glitzern im Sonnenschein wie ein Besatz aus vielen kleinen Diamanten. Wunderbar.

Vor dem endgültigen Fassen der Edelsteine wurde für jeden einzelnen Edelstein eine individuelle Unterlage ausgewählt, die seinen besonderen Charakter betont und dabei kleinere Unterschiede in der Schliffhöhe ausgleichen kann. Diese Unterlage besteht aus einem extra rhodinierten Silberplättchen, das vorher entweder fein oder eher grob schraffiert bzw. sogar gänzlich hochglanzpoliert wurde.

Solche Unterlagen sind immer dann hilfreich, wenn der Edelstein von seiner Fassung gänzlich umschlossen wird und deshalb kein Licht mehr von unten oder von der Seite einfallen kann. Hier haben sich übrigens auch schon die mittelalterlichen Goldschmiede zum Beispiel mit einer sog. “Waffelfolie” geholfen, die das einfallende Licht von unten wieder durch den Edelstein zurückwirft und dabei hilft, den Edelstein dennoch in seiner ganzen ursprünglichen Schönheit zu zeigen.

Nun konnten alle Cabochons eingesetzt und deren Fassungen endgültig geschlossen werden. Danach erstrahlte das Vortragekreuz zum ersten Mal in seiner vollständigen Pracht und alle dekorativen Ornamente verschmolzen zu einer homogenen Einheit.


Edelsteinschmuck Prozessionskreuz
Gefasste Cabochons auf dem Vortragekreuz



Zuallerletzt musste jetzt noch die extra in Messing nachgegossene, romanische Christusfigur montiert werden. Dabei galt es aber, vorher die Spuren der Gießerei – wie zum Beispiel die sehr kräftigen Gußkanäle – zu entfernen und optisch wieder ungeschehen zu machen. Auch einige Details – wie zum Beispiel die Haare und die Dornenkrone – die durch den Guß etwas abgeschwächt waren, wurden manuell nachbearbeitet und somit wieder weitgehend an die originale Vorlage angepasst.

Danach wurde der Corpus Christi ebenfalls mit Feingold galvanisiert und konnte dann endlich seinen finalen Platz im Zentrum der Vorderseite des Prozessionskreuzes einnehmen.

Corpus Christi
Der Corpus Christi ist fertig montiert



Geschafft! Alles hat geklappt und alle Elemente sitzen unversehrt an ihrem vorgesehen Platz. Das Ergebnis war selbst für uns einfach überwältigend. Das fertige Kreuz zu sehen, wie es im direkten Sonnenlicht ein beinahe magisches Licht und lebendiges Glitzern entfacht, war die schönste Belohnung für diese aufwändige Arbeit.

Als letzte Aktion konnte jetzt der dazugehörige Koffer gepackt werden. Vorher spendierten wir der großen und der kleinen Tragestange noch jeweils eine vergoldete Zierhülse mit kleinen vergoldeten Ziernägeln. Diese Hülsen erhöhen die wertige Wirkung der später eingeschraubten Tragestangen und bilden einen würdigen Übergang zwischen dem dunkel lackierten Eichenholz und unserer Goldschmiedearbeit.

Gepackter Koffer
Fertig gepackter Transportkoffer – inklusive Original-Museumshandschuhe



Hier nun zum Abschluss noch einige “Impressionen” von unserem schönen “Vortragekreuz für Italien”:

Hochmittelalterliches Filigran
Prozessionskreuz
Vortragekreuz im Stil des Hochmittelalter



Das abschließende Feedback unseres Kunden zeigt uns, dass wir offenbar sowohl bei der Qualität als auch bei der Art der Abwicklung die Erwartungen unseres Kunden voll erfüllen konnten:

“… Ich kann es jetzt mit Worten gar nicht ausdrücken, wie wunderschön es geworden ist. Ich bin vor großer Freude und Begeisterung einfach nur sprachlos und voller Ehrfurcht vor diesem wunderschönen Werk! Ein ganz großes Kompliment, was Sie hier geschaffen haben! So sauber und sorgfältig… einfach nur herrlich! Ich danke Ihnen wirklich von ganzem Herzen für all Ihre Bemühungen und Ihren Einsatz! … Es war wirklich eine Freude mit Ihnen zusammenzuarbeiten …

… Ich bin wirklich sehr dankbar und froh, so tolle und engagierte Menschen kennen zu lernen, die mit so viel Herzblut und Freude ihren Beruf ausüben. Es war ein Genuss mit Ihnen dieses Werk auszuarbeiten und zu realisieren. Ein Traum wird nun wahr! Ich bin mir sicher, dass ich mit diesem Kreuz sehr große Freude haben werde. Aber nicht nur ich, sondern auch die vielen Leute, die es bei den Gottesdiensten sehen werden. Alles zur größeren Ehre Gottes! Vergelt’s Gott für all Ihren Einsatz… “


Pater M., Italien