Es gibt Kunden, die in Ihrer Leidenschaft und Ihrem Perfektionismus so wunderbar und angenehm kompromisslos sind, dass die Zusammenarbeit mit Ihnen und vor allem das Ergebnis dieser gemeinsamen Anstrengungen schließlich zu wirklich außergewöhnlichen und einzigartigen Objekten führt. So auch unser diesjähriger Stammkunde, der sich ein besonders aufwändiges Karnevalskostüm für seine Auftritte als „König Löwenherz“ von uns umfangreich verzieren lässt. Hier kommt nun das bislang nur wenig bekannte „Reliquienkreuz von Valasse“ ins Spiel:
Für seinen Kostüm-Mantel als „King Lionheart“ lässt sich unser Kunde extra von einer sehr erfahrenen Gewandschneiderin eine aufwändig handgestickte Kopie des sog. „Reliquienkreuzes von Valasse“ anfertigen. Darauf sollen – angelehnt an das Original – zusätzlich noch eine Auswahl echter Edelsteine aufgenäht werden – ein Auftrag, den wir mit großer Freude und Dankbarkeit übernommen haben.
Das Reliquienkreuz von Valasse, benannt nach einer ehemaligen Zisterzienserabtei in Seine-Maritime in Frankreich, wird im Antikenmuseum in Rouen aufbewahrt und ist eines der berühmtesten Juwelen der mittelalterlichen Normandie. Geschmückt mit Edelsteinen und Filigranarbeiten ist es die Kulisse für eine angebliche Reliquie des Wahren Kreuzes, die heiligste aller christlichen Reliquien. Die diesem Reliquiar entgegengebrachte Ehrerbietung, aber auch die Erinnerung an die prestigeträchtige Plantagenet-Dynastie, mit der es verbunden zu sein scheint, hat es sicherlich ermöglicht, dass dieser Schatz der Goldschmiedekunst des 12. Jahrhunderts auf uns gelangte. Die Materialgeschichte dieses Kreuzes aus vergoldetem Silber ist komplex, da das Reliquiar vor allem ein kleineres Kreuz aus Gold beherbergt, das wohl wiederum von einem älteren Objekt stammt. Alles in allem ein wahrer (Goldschmiede)Genuss für die Sinne.
Nachdem wir unserem Kunden bereits die aufwändigen Verzierungen seines mittelalterlichen Schwertgürtels, zwei vergoldete Gewandschließen und fünfzig vergoldete Löwenaufnäher für sein einzigartiges Kostüm anfertigen durften, ist dieser erneute Auftrag ein weiteres Highlight unserer Konzentration auf historische Goldschmiedeobjekte.
Es ist und bleibt für uns daher ein großes Privileg, das wir uns mit diesen herausragenden Pretiosen aus der Kulturgeschichte der Menschheit so abwechslungsreich beschäftigen dürfen. Dafür ganz herzlichen Dank an all unsere Kunden, die uns das immer wieder ermöglichen….
Update Dezember 2023:
Unser Kunde hat uns freundlicherweise die folgenden Fotos des fertiggestellten Tasselmantels mit dem aufwändig von Hand gestickten „Reliquienkreuz von Valasse“ samt unseren Edelsteinfassungen darauf zur Verfügung gestellt (Vielen Dank dafür!)


Wissenswertes über Reliquienkreuze
Mittelalterliche Reliquienkreuze waren bedeutsame sakrale Objekte, die in der christlichen Tradition des Mittelalters eine zentrale Rolle spielten. Diese Kreuze dienten nicht nur als religiöse Symbole, sondern auch als Behältnisse für Reliquien – Überreste heiliger Personen oder Gegenstände, die mit Heiligen, Märtyrern oder Christus selbst in Verbindung gebracht wurden. Sie wurden in Kirchen, Klöstern und auch im Besitz von Adligen als wertvolle Schätze verehrt und galten als Mittler zwischen der göttlichen Welt und den Gläubigen.
Die Herstellung von Reliquienkreuzen war ein hoch spezialisiertes Handwerk, bei dem sowohl die künstlerische Gestaltung als auch die symbolische Bedeutung im Vordergrund standen. Sie wurden häufig aus edlen Materialien wie Gold, Silber oder Bronze gefertigt und mit Emaille, Edelsteinen, Perlen oder Glas verziert. Die aufwendige Gestaltung spiegelte den hohen Stellenwert wider, den diese Objekte im religiösen Leben des Mittelalters hatten. Die Handwerker, die an einem solchen Kreuz wie das Reliquienkreuz von Valasse arbeiteten, waren oft Mitglieder klösterlicher Werkstätten, die über großes Fachwissen in Metallbearbeitung und künstlerischer Gestaltung verfügten.
Ein wesentliches Merkmal mittelalterlicher Reliquienkreuze war ihr hohler Innenraum, der die Reliquien aufnehmen konnte. Diese Reliquien konnten Knochenfragmente von Heiligen, Splitter des Kreuzes Christi oder andere heilige Gegenstände sein. Oft war der Innenraum vom Reliquienkreuz verschlossen, und nur Priester oder hochrangige Geistliche hatten Zugang zu den darin aufbewahrten Reliquien. Reliquienkreuze wurden nicht nur als private Devotionalien genutzt, sondern auch bei Prozessionen, um den Gläubigen den Segen und Schutz der Heiligen zu bringen.
Die symbolische Bedeutung dieser Kreuze war tief in der christlichen Theologie verwurzelt. Das Kreuz selbst repräsentierte das Leiden und die Auferstehung Christi, während die Reliquien darin als physische Verbindung zu den Heiligen galten. Es wurde geglaubt, dass Reliquienkreuze übernatürliche Kräfte besaßen, wie Heilung, Schutz vor Gefahren oder die Abwehr böser Mächte. Diese Überzeugungen machten sie zu begehrten Objekten, sowohl für geistliche Institutionen als auch für weltliche Herrscher, die ihre Macht und ihren Status durch den Besitz solcher Kreuze unterstreichen wollten.
Besonders in der Romanik und Gotik, etwa zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert, wurden Reliquienkreuze zu bedeutenden Kunstwerken. Zu den bekanntesten Beispielen zählen die sogenannten „Kreuzreliquiare“, bei denen der Inhalt oft durch kleine Öffnungen oder Sichtfenster betrachtet werden konnte. Diese Konstruktion sollte die Andacht der Gläubigen fördern und gleichzeitig den wertvollen Inhalt schützen.
Die Verbreitung von Reliquienkreuzen trug auch zur Pilgerbewegung des Mittelalters bei. Gläubige reisten oft weite Strecken, um Reliquien und die Kreuze, die sie beherbergten, zu verehren. Kirchen, die bedeutende Reliquienkreuze besaßen, wurden zu Zentren des religiösen Lebens und profitierten von den Einnahmen, die durch Pilger und Spenden generiert wurden.
Heute sind mittelalterliche Reliquienkreuze wertvolle Zeugnisse der Frömmigkeit, Kunstfertigkeit und der religiösen Kultur des Mittelalters. Viele dieser Kreuze befinden sich in Museen oder kirchlichen Sammlungen und bieten einen faszinierenden Einblick in die spirituelle und künstlerische Welt dieser Epoche. Sie bleiben ein beeindruckendes Beispiel für die Verbindung von Religion, Kunst und Gesellschaft im mittelalterlichen Europa.